Die US-Künstlerin Nan Goldin ist aus Sicht des britischen Magazins «ArtReview» aktuell die einflussreichste Figur der internationalen Kunstszene. Das in London erscheinende Magazin setzte die 70 Jahre alte Künstlerin und Aktivistin am Freitag an die Spitze der jährlich erscheinenden «Power 100»-Liste der wichtigsten Künstlerinnen und Künstler. Auf Platz zwei folgt die in Berlin lebende Künstlerin Hito Steyerl.
«Die Power Liste ist eine Rangliste der hundert lebenden Persönlichkeiten, die Kunst prägen», schreibt das Magazin. Die Bedeutung solcher Listen – in der vergangenen Woche hatte das deutsche Magazin «Monopol» ein ebenfalls 100 Positionen umfassendes Ranking mit Isa Genzken an der Spitze vorgelegt – relativiert «ArtReview» selbst. «Wer wo stehen soll, ist ein Thema, bei dem sich niemand wirklich einig ist. Was jemanden in London oder New York einflussreich macht, ist nicht unbedingt das, was jemanden in Lagos oder Kuala Lumpur einflussreich sein lässt», heißt es im Beitrag.
Süchtige Kämpferin in der Opioid-Krise
Die Fotografin und Filmemacherin Goldin, die lange Zeit auch in Berlin lebte, war zuletzt auch durch ihren Kampf gegen die US-amerikanische Familie Sackler bekannt geworden, den Eigentümern eines Pharma-Unternehmens, das mit für die Opioid-Krise in den USA verantwortlich gemacht wird.
Die Künstlerin selbst war zwischenzeitlich nach einem von der Firma vertriebenen Schmerzmittel süchtig. Ihre eigenen Erfahrungen und die umfassenden Proteste hielt sie mit ihren Bildern fest. Die Dokumentation «All the Beauty and the Bloodshed» von Laura Poitras über diesen Kampf gewann bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen.
Aus Sicht von «ArtReview» ist Goldin das «sichtbarste und prominenteste Modell» einer Künstlerin, die nicht nur dokumentiere und bezeuge, sondern auch als Aktivistin und ethische Stimme agiere.
Künstlerin und Orakel
In Steyerl sieht «ArtReview» eine Wegbereiterin der Post-Internet-Kunst, die mit ihrer Arbeit die Verbindung von Technologie und digitaler Kultur mit Kapital und Konflikten untersuche. «Das Erspüren und Darstellen der seismischen Verschiebungen in Kultur und Gesellschaft haben Steyerl zu einer Art Orakel gemacht», schreibt das Magazin.
Die Top-Ten der «Power 100» sind auffallend divers und weiblich. Der zwischen Bangkok, Berlin und New York agierende Aktions- und Performance-Künstler Rirkrit Tiravanija (Platz drei) ist ebenso zu finden wie US-Künstlerin Simone Leigh (Platz vier), eine langjährige Kämpferin schwarzer, feministischer Kunst. Mit dem Briten Isaac Julien, dem aus Ghana stammenden Ibrahim Mahama, dem US-Konzeptkünstler Theaster Gates und dem britischen Regisseur Steve McQueen («12 Years a Slave») folgen vier weitere Künstler, für die die Auseinandersetzung mit Rassismus ein Teil der künstlerischen Arbeit ist.
Der indigene Zusammenschluss Karrabing Film Collective und die chinesische Medienkünstlerin Cao Fei komplettieren die ersten zehn Ränge der Liste von «ArtReview».
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