Der neue Modezar heißt Sky Xu. Oder
Chris Xu. Oder Xu Yangtian. Unter drei verschiedenen Namen ist der
milliardenschwere Gründer des Fast-Fashion-Konzerns Shein bekannt. Über Xu selbst
allerdings dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit. Und auch sein Unternehmen
ist kaum transparenter. Was jedoch kein Geheimnis ist: der Grund für den
Erfolg. Es sind die Preise, die Shein zum größten Fast-Fashion-Konzern der Welt
gemacht haben. Dort gibt es Abendkleider, die billiger sind als die Cocktails,
an denen deren Trägerinnen auf der Party nippen dürften, so beschrieb es
kürzlich die Tech-Seite Verge.
Auf seiner US-amerikanischen Website offeriert
der Konzern Strickpullover für acht Dollar und Blusen für 5,49 Dollar. Shein
ist in 150 Ländern tätig, doch die Vereinigten Staaten sind der größte
Absatzmarkt für den Händler und dort will Shein jetzt an die Börse. Aber auch dieses
Unterfangen läuft erst einmal hinter verschlossenen Türen an. Shein habe einen
Antrag auf einen “vertraulichen Börsengang” gestellt, berichtete das Wall
Street Journal unter Berufung auf “gut unterrichtete Kreise”.
Das heißt, die US-Börsenaufsicht
wird die eingereichten Unterlagen erst einmal unter Verschluss halten. Erst
kurz vor dem Debüt müssen sie – sowie die Kommunikation mit der Behörde –
öffentlich gemacht werden. Die Meldung hat die Wall Street in Aufregung
versetzt. Sollte der Börsengang wie erwartet im kommenden Jahr stattfinden,
könnte er eines der größten Debüts auf dem New Yorker Parkett der vergangenen Jahre werden.
Gemessen an den jüngsten Finanzierungsrunden bewerten Investoren Shein mit 66
Milliarden Dollar – mehr als doppelt so viel wie den Konkurrenten
H&M.
Rasanter Aufstieg
Sheins Aufstieg an die Spitze der
globalen Bekleidungsbranche war rasant. Vor allem die Lockdowns während der
Pandemie sorgten für einen Schub. Von 2019 auf 2020 verdreifachte sich der Umsatz
auf zehn Milliarden Dollar, laut Informationen des Finanznachrichtendienstes
Bloomberg. Im vergangenen Jahr waren es laut Medienberichten mehr als 22
Milliarden Dollar.
Was das vor zehn Jahren im
chinesischen Nanking gestartete Unternehmen zu einem der führenden
Online-Anbieter für ultrabillige Kleidung gemacht hat, war die smarte
Einbindung von Tausenden Influencerinnen, die Begeisterung der jüngeren
Zielgruppe für Smartphone-Shopping und die Optimierung des Angebots durch die
Auswertung von Nutzerdaten. Bei einer Umfrage der Investmentbank Piper Sandler
war Shein zuletzt nach Amazon die populärste Einkaufsplattform.
Bis vor Kurzem hatte Shein keine
eigenen Läden, alles lief über E-Commerce. Die georderte Ware wird direkt von
den Fabriken in Asien an die Kunden in den Industrieländern geschickt. In den
vergangenen Monaten hat Shein in verschiedenen Ländern kurzfristige
Verkaufsevents organisiert, so etwa Anfang des Monats in einer Filiale von
Forever 21 am New Yorker Times Square. Mit dem einstigen Fast-Fashion-Pionier,
der 2019 Insolvenz anmelden musste, verbindet Shein nicht nur eine Kooperation.
Shein hat vor Kurzem ein Drittel der Sparc-Gruppe, der Muttergesellschaft von
Forever 21, erworben.
Die bisherigen Investoren von Shein
– darunter der Staatsfonds von Abu Dhabi und der Silicon-Valley-Wagniskapitalgeber Sequoia – stören sich offenbar nicht an den
Geschäftspraktiken. Fast-Fashion-Anbieter wie H&M und die spanische
Zara-Kette sind zunehmend in die Kritik von Klimaschützern geraten. Die Ellen
MacArthur Foundation, eine Organisation, die sich für die Kreislaufwirtschaft
einsetzt, schätzt, dass pro Sekunde eine Lkw-Ladung Alttextilien auf einer
Mülldeponie entsorgt oder verbrannt wird.
Shein hat das Fast-Fashion-Modell –
schnell auf Trends aufspringen und billigst produzieren – auf die Spitze
getrieben. Täglich werden Tausende Artikel neu auf der Plattform angeboten, um
die Social-Media-generierte Nachfrage nach immer neuen Outfits und Looks zu
befriedigen. Umweltorganisationen prangern an, dass die Fabrikanten, die Shein
beliefern, vorwiegend neues statt recyceltes Polyester einsetzten, eine
Chemiefaser, die unter anderem aus Erdöl und Erdgas hergestellt wird.