Die App, die sich zunächst als „Anti-Instagram“ präsentierte, holt Brands und bekannte Persönlichkeiten auf die Plattform. Wie können diese BeReal bestmöglich für sich nutzen?
In einer Zeit, in der Authentizität online zunehmend zur Mangelware wird, betritt BeReal die Bühne mit einem erfrischenden Versprechen: Echtheit über alles. Vor kurzem öffnete sich die Plattform mit den Kategorien RealBrands und RealPeople auch für Marken und Creator, nachdem sich die Plattform lange Zeit gegen eine Kommerzialisierung gewährt hatte. Das könnte einen Wendepunkt für BeReal darstellen und einen neuen, spannenden Marketing-Kanal für Creator und Brands bieten. Doch das Format unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den bereits fest etablierten Instagram Storys – worin genau liegt also der Mehrwert für Unternehmen? Und wo liegen die Grenzen des Formats? Maurice van gen Hassend ist Gen Z Lead bei der Intermate Group und gibt einen Überblick.
Ein neuer Ansatz für die Markenkommunikation
2022, etwa zwei Jahre nach dem Launch, löste BeReal einen ungeahnten Hype aus. Grund dafür war das unkonventionelle Konzept der Plattform, welches im Gegensatz zu anderen Social-Media-Giganten steht.
Im Vergleich zu anderen Plattformen gibt es auf BeReal keine Beauty-Filter, Werbung oder Follower. Stattdessen konzentriert sich BeReal auf echte Freundschaften und erlaubt Interaktionen nur über sogenannte Realmojis, die durch das Aufnehmen eines Fotos erfolgen, oder über Kommentare. BeReals Popularität bei jungen Menschen ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass es eine Plattform für echte, unverfälschte Momente bietet. So ist die Natur der Plattform zu einer Art Ästhetik für die jungen Nutzer:innen geworden. Instagram und TikTok testeten mit Instagrams Candid Challenges und TikTok Now in der Vergangenheit ähnliche Formate, die sich allerdings nicht durchsetzen konnten.
Die Öffnung der Social-Plattform für Unternehmen kommt nun möglicherweise überraschend, widerspricht sie doch der eigentlichen Idee von BeReal. Gleichzeitig scheint die Neuerung in Zeiten von TikTok aber auch logisch. Dass insbesondere die Gen Z nach ehrlicher Markenkommunikation sucht, ist kein Geheimnis mehr. In einer App, die auf Authentizität und Realität beruht, könnte also die junge Generation auch Marken gegenüber aufgeschlossener sein. Desweiteren muss jedes Social Network irgendwann und irgendwie Geld verdienen. Der Schritt von BeReal könnte ein erster in Richtung der Kommerzialisierung der Plattform sein.
Mit der Community im Mittelpunkt bietet BeReal nämlich auch für Marken ein attraktives Umfeld, um junge Zielgruppen für sich zu gewinnen. Da Inhalte nur 24 Stunden lang verfügbar sind und innerhalb von nur zwei Minuten erstellt werden müssen, bleibt keine Zeit für eine aufwändige Inszenierung. Das lässt BeReals sehr nahbar wirken und birgt ein verlockendes Potential für Marken. Das Konzept lässt allerdings keine Zeit für Freigabeschleifen oder die Meinung des kompletten C-Levels. Das ist nicht für alle Marken etwas und kann nur langfristig erfolgreich umgesetzt werden, wenn Vertrauen in die ausführenden Mitarbeiter:innen gesetzt wird.
Im Gegensatz zu den algorithmisch kuratierten und oft geschönten Inhalten auf Plattformen wie Instagram eröffnet BeReal die Möglichkeit, ungeschönte Einblicke in den Alltag von Marken zu gewähren. Diese Echtheit kann eine tiefere und bedeutungsvollere Verbindung zur Zielgruppe schaffen, die sich nach Authentizität sehnt.
Die Herausforderungen der Echtzeitkommunikation
Der spontane Charakter von BeReal stellt Unternehmen jedoch auch vor Herausforderungen. Die Notwendigkeit, in Echtzeit zu agieren und gleichzeitig die Markenidentität zu bewahren, erfordert eine neue, sehr dynamische Herangehensweise an die Content-Produktion. Obwohl der Aufwand technisch gesehen geringer ist als bei anderen Short-Form-Video-Formaten wie TikToks oder Reels, muss stets ein Team-Mitglied am Smartphone verfügbar sein und auf die Push-Benachrichtigung reagieren. Externe Agenturen können die Leistung aufgrund ihrer Distanz zum Unternehmen kaum erbringen, daher fällt die Verantwortung im Idealfall auf interne Teammitglieder, denen besonders viel Vertrauen entgegengebracht werden muss.
Dieses Team hat die Freiheit, kreativ und authentisch im Namen der Marke zu agieren, und muss daher nicht nur die Marke und ihre Werte verstehen, sondern auch die Fähigkeit besitzen, spontan und mit einem Gespür für das „Jetzt“ zu kommunizieren. Im besten Fall zumindest – andernfalls wird es schwierig, die Aktualität und so auch den USP der Plattform wirklich für sich zu nutzen.
Offen bleibt, ob Brands zukünftig umfassende Strategien entwickeln müssen. Sofern sich in der App schnelllebige Trends entwickeln, die Marken oder Creator adaptieren wollen, wird wohl auch der authentische Eindruck nicht mehr ewig erhalten bleiben.
Authentizität vs. Inszenierung
Die Balance zwischen authentischer Darstellung und der notwendigen Inszenierung für soziale Medien ist insbesondere bei BeReal eine Herausforderung. Dabei ist die Frage nach Authentizität auf Social Media grundsätzlich nicht einfach zu beantworten. Wie können also Marken den Spagat zwischen Corporate und Social schaffen?
Dass Marken auf Social Media eine Rolle einnehmen, ist schlicht unvermeidlich – das tun schließlich Menschen genauso. Die Antwort liegt daher möglicherweise in der Kunst, die Marke selbst als Charakter zu positionieren, der Echtheit und Persönlichkeit ausstrahlt, ohne dabei gestellt oder unrealistisch zu wirken. Interessant ist vor diesem Hintergrund, wie sich die Natur der Plattform mit der Öffnung verändert. In jedem Fall ist es für kleinere Marken ratsam, die Frische der Plattform zu nutzen und als First Mover zu testen, wie die Community reagiert und im besten Fall die anfängliche Euphorie für sich zu nutzen. Mit Hinblick auf die notwendige Aktualität ist der Sprung für große Marken oder Konzerne wohl vorerst etwas schwieriger.
Die Schaffung neuer Community-Dynamiken
BeReal bietet die Möglichkeit, neue Arten von Communities zu bilden, die sich von den traditionellen Follower-Beziehungen auf anderen Plattformen unterscheiden. Diese Communities könnten auf authentischeren Bindungen basieren und somit eine tiefe Markenloyalität fördern. Die Interaktion auf Augenhöhe, das Teilen realer Momente und das Schaffen eines Raumes für ungeschönte Kommunikation spielen dabei eine große Rolle. Dennoch müssen Marketer auch realistisch bleiben: Der Hype um die Plattform ist nach einiger Zeit wieder abgeflacht, denn letztendlich ist das Format zwar spontaner und potenziell ungeschönter als auf anderen Plattformen, im Endeffekt aber vergleichbar mit Instagram Stories und Snapchat. Ob die Communities also tatsächlich einzigartig sind, kann nur eine Benchmark-Analyse von User-Zahlen nach einigen Wochen oder Monaten ergeben. Demnach müsste erst einige Zeit vergehen, um wirklich aussagekräftige Argumente zu identifizieren, die den Mehrwert von BeReal für Marken belegen.
Fazit
Die Einführung von RealBrands und RealPeople repräsentiert grundsätzlich einen Paradigmenwechsel in der digitalen Kommunikation. Marken und Creator erhalten die Chance, sich von der Masse abzuheben, indem sie ein ehrliches Auftreten in den Mittelpunkt ihrer Online-Präsenz stellen. Dies erfordert allerdings Mut, Kreativität und ein Umdenken in Bezug auf die Erstellung von Inhalten und das Verständnis für Social Media. Für Creator erscheint es jedoch nachhaltiger und sinnvoller als für Marken, die bereits durch die vielen Formate auf TikTok, Instagram, YouTube und Co. viele monetarisierbare Wege erschlossen haben, um eine Community aufzubauen und an sich zu binden.