Albertina modern feiert „Beauty of Diversity“

Die Albertina modern versucht einen zeitgemäßen Blick über den Tellerrand: „The Beauty of Diversity“ will die gegenwärtige Vielfalt in der Gesellschaft und damit auch in der Kunst abzubilden.

Kultur


Die Albertina modern versucht einen zeitgemäßen Blick über den Tellerrand: „The Beauty of Diversity“ will die gegenwärtige Vielfalt in der Gesellschaft und damit auch in der Kunst abzubilden.

Online seit gestern, 0.05 Uhr

Anhand von mehr als 100 Arbeiten werden Geschlechterzuschreibungen hinterfragt, der Kanonbegriff gegen den Strich gebürstet und Positionen von People of Colour, Außenseitern, Autodidakten oder der LGBTQIA+-Communtiy vor den Vorhang geholt – ein diverses Potpourri.

Man wolle im 21. Jahrhundert dem Wunsch und der Notwendigkeit, das Kunstgeschehen nicht nur aus einer eurozentrierten bzw. amerikanischen Perspektive abzubilden, nachkommen, meinte Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder. Nicht zuletzt gehe es darum, dem Publikum klarzumachen, „dass Vielfalt, die im Alltag oft als Bedrohung empfunden wird, eine Bereicherung ist“.

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Ziel der Diversifizierung bei Sammlung

„Sehr glücklich“ mache es ihn, dass der Werkparcours fast ausschließlich aus eigenen Beständen zusammengestellt werden konnte. Denn seit den 2000er-Jahren werde die Sammlung des Hauses, in der „weiße Männer“ von Michelangelo und Dürer über Rubens und Goya bis Picasso und Warhol freilich eine große Rolle spielen, mit dem Ziel der Diversifizierung laufend erweitert.

Laut Albertina-modern-Direktorin Angela Stief, die die seit Freitag laufende Schau kuratiert hat, dreht sich „The Beauty of Diversity“ um Widerstand, Empowerment und „das Einstehen für Freiheit, die eigene Identität darzustellen“.

Hintertreiben, zurückschlagen und deformieren

Die Hintertreibung klarer Geschlechterzuschreibungen zieht sich durch viele Abschnitte der Ausstellung – sei es bei den mit Schläuchen verbundenen, mehrköpfigen Wesen von Franz Ringel, bei den aus Plastikblumen, Haarteilen und Christbaumschmuck gefertigten, bunttrashigen Zwitter-Assemblagen von Verena Bretschneider oder den Skulpturen von Jonathan Meese.

Um klar feministische Selbstermächtigung geht es hingegen bei Maria Lassnig, die als überlebensgroße „Queen Kong“ durch die New Yorker Skyline stapft, oder bei der Schweizerin Miriam Cahn. „zurückschlagen“ heißt die Darstellung eines weiblichen Faustschlags, den hier eine Figur mit unmissverständlich männlicher Zuschreibung – der erigierte Penis ist im unteren Bildrand zu sehen – kassiert. Eine Ikone der Kunstgeschichte wiederum wird gleich gegen Anfang der Schau entstellt: Das Kollektiv Gelitin/Gelatin deformiert die Mona Lisa als gerahmte Plastilinfratze.

„Black Art Matters“

Unter dem Titel „Black Art Matters“ ist Schwarzen Kunstschaffenden ein eigener Raum gewidmet. Vorgestellt wird etwa der in Wien lebende Franko-Senegalese Alexandre Diop, der nicht nur mit einem großen Triptychon („Il état une fois le mouton noir/Es war einmal ein schwarzes Schaf“), sondern auch mit Assemblagen vertreten ist.

Ausstellung bis 18. August

„The Beauty of Diversity“ in der Albertina modern, bis 18. August, Ausstellungskatalog in Deutsch und Englisch: 32,90 Euro,

Für die Darstellung seiner Figuren, die an menschliche Skelette oder skalpierte Körper gemahnen, verwendet der junge Künstler, Jahrgang 1995, Materialien wie Nägel, Metallklammern oder Stricke als Symbole für Gewalt, Aggression und Rassismus. Amoako Boafo aus Ghana porträtiert wiederum Menschen dunkler Hautfarbe auf leuchtend-monochromem Hintergrund, wobei sein Stil durchaus an die Wiener Moderne erinnert. Die zum V gespreizten Zeige- und Mittelfinger in „Ivy schulterfreies Kleid“ – Schiele lässt grüßen.

Vielfalt der Ästhetik

Laut Stief verhandelt die Schau Diversität nicht nur als identitätspolitische Fragestellung, sondern auch im Sinne einer Vielfalt der Ästhetik. Schröder meinte folglich, die 13 Kapitel könnten jedes für sich eine eigene Ausstellung sein. „Die Positionen sind hier nicht auf einen stilistischen Nenner zu bringen. Das gibt es hier nicht.“

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Wenn es um Normverweigerung geht, ist freilich auch eine Kunst abseits des Akademischen Pflichtprogramm. In der Albertina modern beginnt dieser Weg bei Jean Dubuffet als Erfinder der „Art brut“, die eine rohe, unverfälschte und unverbildete Kunst propagiert, und führt zu Autodidakten wie Aïcha Khorchid. Die 1981 in Pakistan geborene Künstlerin begann erst vor wenigen Jahren zu malen und verarbeitet in ergreifenden Gemälden ihre traumatische Lebensgeschichte.

„Je n’ai jamais dit je t’aime a ma mère“ (Ich habe nie ich liebe dich zu meiner Mutter gesagt) zeigt etwa eine mit Blut gefüllte Badewanne und bezieht sich direkt auf den Selbstmord der Mutter. Misshandelt von ihrem Stiefvater, stellt Khorchid in einem anderen Bild ihre Kindheit als Eisenbett auf schwarzem Hintergrund dar. Dazu schreibt sie die Worte Insomnie (Schlaflosigkeit), Anxiété (Angst) und Nervosité (Nervosität).

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