Die “Vogue” nannte sie einst die erfolgreichste Influencerin der Welt, doch nach einem Betrugs-Skandal muss Chiara Ferragni um ihr millionenschweres Imperium zittern. Wer ist die Italienerin, von der gerade alle reden?
Es ist einer dieser Social-Media-Accounts, die schon auf den ersten Blick Schwindel auslösen können vor lauter Prunk und Glitzer: Die Influencerin Chiara Ferragni zeigt ihren Fans eine Welt voll von teurem Schmuck und Designer-Kleidern. Zwischen Grüßen aus St. Moritz und Fotos ihrer kleinen Kinder packt die 37-Jährige gekonnt Werbebotschaften, etwa für Hafermilch oder Schaumfestiger. Allein auf Instagram interessiert das mehr als 29 Millionen Menschen. Ferragni ist ein Star, nicht nur, aber vor allem in Italien. Doch seit kurz vor Weihnachten ist in ihrer Glamour-Welt nichts mehr wie es war.
Da wurden Vorwürfe publik, Ferragni habe mit unlauteren Mitteln einen speziellen Weihnachtskuchen beworben. Es soll der Eindruck entstanden sein, dass ein Großteil der Erlöse an ein Krankenhaus für krebskranke Kinder gehe. Dort kam lediglich eine kleine Summe an – und die kam nicht von Ferragni, sondern vom Kuchen-Hersteller. Die 37-Jährige wurde mit einem Bußgeld belangt, doch seit Dienstag ist klar: Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen Betrugs. Der Verdacht bestehe, dass die Kuchen-Aktion kein Einzelfall war.
Mit zehn Euro Investition zur Millionärin
Es ist der erste Stolperstein nach einem Aufstieg wie aus dem Bilderbuch. Ferragni, geboren 1987, wächst mit zwei Schwestern in Norditalien auf, der Vater ist Zahnarzt, die Mutter Schriftstellerin. Schon früh interessiert sie sich für Mode, zieht mit 16 erste Modeljobs an Land. 2009 nimmt ihre Karriere Fahrt auf: Ferragni wird zu einer der ersten Mode-Bloggerinnen der Stunde, startete gemeinsam mit ihrem damaligen Freund den Blog “The Blonde Salad”. Sie posierte in ihren Lieblings-Outfits, er fotografierte die bunten Looks und ihr Markenzeichen, die blonde Mähne. Ihre Investition damals in das Projekt: zehn Euro.
Doch Ferragni ist zum richtigen Zeit am richtigen Ort, ergattert bald Tickets zur Mailänder Fashion Week. Während sie sich anfangs noch in der letzten Reihe die Füße wund stehen muss, nimmt sie schon bald in der Front Row Platz. Und nicht nur in Mailand: New York, Paris, London folgen. Ihre erste eigene Schuhkollektion erscheint 2011 und ist sofort ausverkauft. Seitdem gibt es kein Halten mehr: Ihr Blog ist mittlerweile digitales Mode- und Beauty-Magazin und Marketing-Agentur in einem, sie hat einen eigenen Shop, eine eigene Schuh- und Mode-Marke, eine Parfum-Linie, ja, sogar eine Barbie-Puppe wurde nach ihr benannt. Hinzu kommen unzählige Verträge als Markenbotschafterin, von Pantene bis Nespresso ist alles dabei. Pro Instagram-Post soll die Unternehmerin um die 60.000 Euro kassieren.
Chiara Ferragni macht ihre ganze Familie zur Marke
Auch ganz hilfreich: Ihr Ehemann ist der bekannte italienische Musiker Fedez, selbst ein Social-Media-Star (über 14 Millionen Follower auf Instagram) mit Hang zu lukrativen Werbedeals. Die Hochzeit im September 2018 ließ sich das Paar von den Wasserflaschen bis zum Ehering durchsponsern. Drei Hochzeitskleider entwarf die Kreativchefin von Dior exklusiv für die Influencerin. Die Fotos, die davon um die Welt gingen, sollen dem Modehaus einen Werbe-Gegenwert von sagenhaften fünf Millionen Euro beschert haben.
Im italienischen TV hat Chiara Ferragni regelmäßig Auftritte, und für eine Reality-Serie ließen sie und ihr Mann sich sogar privat von Kameras begleiten: “The Ferragnez” ist auf Amazon Prime zu sehen. Die beiden gelten als einflussreiches Paar im Land und positionieren sich auch politisch in der Öffentlichkeit. So setzten sie sich etwa während der Corona-Pandemie für das Tragen von Schutzmasken ein oder unterstützten ein Gesetz, das die Diskriminierung von Homosexuellen stärker bestrafen soll. Ihr Ansehen gerade beim jungen Zielpublikum ist enorm. Doch dort zählt Glaubwürdigkeit mehr als alles andere.
Jetzt muss Chiara Ferragni um ihr Millionen-Imperium zittern. Beim in Italien beliebten Sanremo-Musikfestival ist sie dieses Jahr als Co-Moderatorin ausgeladen, schlimmer noch: Der eigens dafür vorgesehene Werbespot mit Coca-Cola wurde vom Getränkeriesen zurückgezogen. In einem Instagram-Post zeigt sie sich zuversichtlich, spricht von “Kommunikationsfehlern” und “Missverständnissen”. Der graue Woll-Jumpsuit, den sie im Video trägt, war danach schnell ausverkauft. Noch funktioniert der Chiara-Effekt. Fragt sich nur, wie lange noch.
Quellen: “Vogue”, “SZ”, “The Blonde Salad”, FAZ, Instagram